Journaling
- Laura Buttkereit
- 26. Apr. 2022
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Nov. 2024
Journaling wird oft mit "Tagebuchschreiben" gleichgesetzt, geht aber in er heutigen Form über das chronologische Auflisten der Dinge, die am Tag passiert sind, hinaus. Es wird heute als eine Technik des Selbstcoachings, zur Selbstreflexion und zur Persönlichkeitsentwicklung genutzt. Einer der Pioniere des modernen Journaling war der amerikanische Psychotherapeut Ira Progoff, der in den 1970er Jahren die "Intensive Journal Method" entwickelte, eine Journaling Technik für die Persönlichkeitsentwicklung, die noch heute auch in vielen Therapien begleitend eingesetzt wird. Im Unterschied zum Tagebuchschreiben geht es beim Journaling also um die Gefühle und das innere Erleben und nicht so sehr um die Erlebnisse selbst.
"The focus of my work has been to provide methods which will enable people to work continuously in their lives. It gives an inner perspective to guide them through transitions, evoking creative potentials and drawing forth new sparks of Spirit as they move toward becoming whole persons..." - Ira Progoff.
Durch Journaling haben wir die Möglichkeit, tiefe Einblicke in uns selbst zu gewinnen und uns besser zu verstehen und unsere Gefühle und Gedanken auch besser zu kontrollieren. Zahlreiche Studien belegen bereits, dass Journaling einen enormen Einfluss auf die mentale Gesundheit hat. Es ist nicht umsonst oft ein wichtiger Teil einer psychotherapeutischen Behandlung und die positiven Effekte lassen sich auch auf gesunde Erwachsene übertragen. Journaling reduziert außerdem Stress, denn zum einen erleichtert der Prozess des Aufschreibens den Zugang zu schwierigeren Emotionen und zum anderen fördert das Aufschreiben von Dankbarkeit den Stressabbau enorm. Das Glücksempfinden wird durch die Beschäftigung mit Themen wie Dankbarkeit ebenfalls gesteigert und das fördert wiederum die Gesundheit im Allgemeinen. Da durch das (handschriftliche) Schreiben die rechte Gehirnhälfte besonders gefördert wird, wird auch die Problemlösungskompetenz und die Kreativität gesteigert. Sogar der IQ und das Gedächtnis können laut Studien durch expressives Schreiben verbessert werden. Journaling selbst hat keine vorgegebene Form, es geht vor allem um das Aufschreiben und den Zugang zum eigenen Inneren, aber es gibt viele verschiedene Techniken, die einem diesen Zugang ermöglichen können. Die einzige Vorgabe ist, dass Journaling idealerweise handschriftlich durchgeführt werden sollte, denn durch das Schreiben wird die linke Gehirnhälfte mit der motorischen Tätigkeit des Schreibens beschäftigt und die rechte Gehirnhälfte, also unsere kreative und intuitive Seite, kann frei fliessen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen verschiedene mehr oder weniger weit verbreitete Journaling Techniken vorstellen:
Morning Pages von Julia Cameron: Morning Pages beschreibt eine Technik, bei der jeden Morgen 3 Seiten einfach frei heruntergeschrieben werden, und zwar idealerweise als erstes nach dem Aufwachen. Die Morning Pages geben kein Thema vor, es ist ein einfaches Herunterschreiben des Bewusstseinsstroms und geht zurück auf die Künstlerin Julia Cameron, die die Technik als eine Methode zum Fließenlassen der Kreativität entdeckte. Mehr Informationen finden Sie unter: https://juliacameronlive.com
5 Minuten Sprint: Diese Methode eignet sich besonders, wenn man wenig Zeit hat und sich überwältigt fühlt, wenn man nicht wirklich weiß, was man schreiben soll, aber man gerne zu mehr Klarheit kommen würde. Man sucht sich ein Thema aus, stellt eine Stoppuhr auf 5 Minuten und schreibt einfach drauf los. Nach 5 Minuten liest man sich alles durch und entscheidet, ob man noch weiterschreiben möchte oder nicht. Den Themen sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt, Beispiele sind zum Beispiel: der aktuelle Moment, ein Gefühl, eine Stimmung, eine Entscheidung, eine Erfahrung, Personen, ein Traum, Ziele, etwas, was einen geärgert hat usw.
Alpha Poems: Alpha Poems sind eine kreative und spielerische Art, seine Gedanken auf Papier zu bringen. Man schreibt alle Buchstaben des Alphabets untereinander und sucht sich ein Thema aus, um das es gehen soll. Das Ziel ist es einen ganzen Satz oder mehrere Sätze aus den Wörtern, die mit den entsprechenden Buchstaben des Alphabets beginnen, zu bilden. Man kann sich die Sache etwas erleichtern, indem man zusätzliche Wörter einfügt, aber das erste Wort einer neuen Reihe sollte immer mit dem nächsten Buchstaben anfangen.
5-Minute-Journal: Das 5-Minute-Journal basiert auf Techniken der positiven Psychologie und richtet sich besonders an diejenigen, die Journaling bisher noch nicht in ihr Leben integrieren konnten und denen es eher schwer fällt. Wie der Name schon sagt, ist der Anspruch des 5-Minute-Journals, dass es nur 5 Minuten pro Tag in Anspruch nehmen soll und die werden auf morgens und abends verteilt. Am Besten sollte das Journal direkt nach dem Aufwachen und direkt vor dem Einschlafen ausgefüllt werden. Das Journal ist geführt und es werden morgens drei Fragen und abends zwei Fragen beantwortet. Die Fragen sind immer gleich und zielen in Richtung Dankbarkeit und Positivität.
Morgens stellst du dir folgende Fragen:
Was sind 3 Dinge, für die ich heute dankbar bin?
Was sind 3 Dinge, die den Tag heute großartig machen würden?
Was ist meine Affirmation des Tages?
Abends stellst du dir folgende Fragen:
Was sind 3 positive Erlebnisse des heutigen Tages?
Was sind 2 Dinge, die ich heute noch besser hätte machen können?
5. Sentence Stems Technik: Diese Technik eignet sich besonders für die Menschen, denen Journaling zunächst eher schwer fällt, da es eine sehr strukturierte Methode ist, die den Anfang erleichtert. Bei dieser Methode werden Satzanfänge einfach beendet. Beispiele könnten sein:
Jetzt gerade fühle ich mich ...
Ich wünschte, ich könnte ...
Wenn ich eine Sache an mir ändern könnte, dann wäre es ...
Mein Leben ist ..
Dankbarkeitsjournal: In 4 Studien untersuchten McCullough und Emmons die Auswirkungen von Dankbarkeit. Dabei kam heraus, dass Dankbarkeit mit einem gesteigerten Wohlbefinden, prosozialen Charakterzügen und erhöhter Spiritualität bzw. Religiösität einherging. Gleichzeitig konnten negative Emotionen wie Neid und Missgunst bzw. Materialismus in den Studienteilnehmern weniger häufig beobachtet werden, wenn sie mit einer von Dankbarkeit geprägten Grundhaltung lebten. Ein Dankbarkeitstagebuch bzw. Dankbarkeitsjournal ist ein idealer Weg, um den Fokus auf das Thema Dankbarkeit zu legen und dadurch auch mehr Achtsamkeit ins Leben zu lassen. Sogar bei der Behandlung von depressiven Symptomen und Stress kann ein Dankbarkeitstagebuch sinnvoll sein, wie eine Studie aus Hong Kong zeigte. Eine andere Studie zeigte, dass bei Patienten mit Herzinsuffizienz Entzündungswerte reduzieren und die Herzfrequenzvariabilität erhöhte, wenn ein Dankbarkeitstagebuch geführt wurde. Typischerweise braucht das Schreiben eines Dankbarkeitstagebuchs nur wenig Zeit, meist reichen schon wenige Minuten pro Tag, in denen man sich jeweils 3 Dinge aufschreibt, für die man sich dankbar fühlt.
“Be thankful for what you have; you’ll end up having more. If you concentrate on what you don’t have, you will never, ever have enough.” —Oprah Winfrey.
Unabgeschickte Briefe: Eine weitere Methode ist es, sich speziellen Themen, die sich in der Interaktion mit anderen Menschen ergeben, als Brief zu widmen. Diese Briefe schreibt man an die andere Person, schickt sie aber nicht ab. So kann man einen besseren Zugang zu Emotionen und Gefühlen bekommen, die einen anschließend nicht mehr so stark belasten.
Expressive Writing: Expressive Writing geht auf den Psychologen Pennebaker zurück, der sich zum Ziel machte, Menschen, die ein Trauma in ihrer Kindheit erlebt hatten, eine Möglichkeit zu geben, dieses Trauma zu verarbeiten. Mit der Expressive Writing Methode wurden viele beeindruckende psychische und physische Auswirkungen erzielt, z.B. eine Blutdrucksenkung, eine Verbesserung des Immunsystems und ein allgemein besseres psychisches Wohlbefinden. Um die Technik durchzuführen sollte man sich 20-30 Minuten Zeit nehmen und sich auf eine belastende Erfahrung bzw. ein traumatisches Ereignis fokussieren. Wichtig ist, dass man erwartungslos an das Schreiben herangeht und während dieser Zeit alle Gefühle und Gedanken aufschreibt und frei fließen lässt. Weder Rechtschreibung, Grammatik noch Stil spielen hierbei eine Rolle. Nach dem Schreiben fühlt man sich oft zunächst sehr traurig, aber meistens wird die Traurigkeit nach einigen Stunden besser.
Success Journal: Ein Erfolgstagebuch oder Success Journal ist eine schöne Möglichkeit, sich seiner kleinen und großen Erfolge im Job und privat immer bewusst zu sein und führt nachweislich zu einer höheren Zufriedenheit.
Goal Journal: Sich seine Ziele aufzuschreiben ist eine wichtige Voraussetzung für die Erreichung eben dieser. Es gibt unzählige Bücher zum Thema Zielerreichung und Zielsetzung, in denen detaillierte Praktiken vorgestellt werden. Ich persönlich mag die Herangehensweise von Brian Tracy ('Eat that froh', 'Ziele setzen. verfolgen. erreichen.'), in jedem Fall ist ein Goal Journal ebenfalls eine gute Möglichkeit, seine Ziele zu dokumentieren und den Status im Blick zu behalten.
Quellen:
Tan TT, Tan MP, Lam CL, Loh EC, Capelle DP, Zainuddin SI, Ang BT, Lim MA, Lai NZ, Tung YZ, Yee HA, Ng CG, Ho GF, See MH, Teh MS, Lai LL, Pritam Singh RK, Chai CS, Ng DLC, Tan SB. Mindful gratitude journaling: psychological distress, quality of life and suffering in advanced cancer: a randomised controlled trial. BMJ Support Palliat Care. 2021 Jul 8:bmjspcare-2021-003068. doi: 10.1136/bmjspcare-2021-003068. Epub ahead of print. PMID: 34244182.
Redwine LS, Henry BL, Pung MA, Wilson K, Chinh K, Knight B, Jain S, Rutledge T, Greenberg B, Maisel A, Mills PJ. Pilot Randomized Study of a Gratitude Journaling Intervention on Heart Rate Variability and Inflammatory Biomarkers in Patients With Stage B Heart Failure. Psychosom Med. 2016 Jul-Aug;78(6):667-76. doi: 10.1097/PSY.0000000000000316. PMID: 27187845; PMCID: PMC4927423.
McCullough, M. E., Emmons, R. A., & Tsang, J.-A. (2002). The grateful disposition: A conceptual and empirical topography. Journal of Personality and Social Psychology, 82(1), 112–127. https://doi.org/10.1037/0022-3514.82.1.112
Academy of Management Journal. (2012). Building Positive Resources: Effects of Positive Events and Positive Reflection on Work Stress and Health | Academy of Management Journal.
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